Redebeitrag auf Fahrraddemo

Wir halten hier unseren Redebeitrag Fahrraddemo “Rides and Rights for Refugees”  durch den Dresdner Westen am 18.06.2016 fest:

Mehr Fotos gibt es bei “Willkommen in Löbtau”

Hallo liebe Leute,

wir freuen uns, dass ihr alle heute zu der Demo für sichere Fluchtwege und ein gutes Leben für alle Menschen gekommen seid. Ich spreche heute über die Maßnahmen, die in Deutschland gegen Menschen auf der Flucht eingesetzt wurden und werden. Im Sommer 2015 haben wir in den Medien viele Bilder der Willkommenskultur gesehen, die deutsche Regierung sah sich genötigt in Sonntagsreden ebenfalls auf den Zug der Willkommenskultur aufzuspringen.

Vor ungefähr einem Jahr sorgte die Bewegung der Geflüchteten dafür, dass das menschenverachtende Grenzregime der Festung Europa für einen kurzen Moment überwunden wurde. Doch die Menschen sind nicht aus purer Lust nach Europa gekommen. Kriege, Armut, Umweltkatastrophen und viele, viele Gründe mehr haben sie dazu gezwungen, sich auf die lebensgefährliche Reise nach Europa zu begeben. Die Situation in vielen Ländern, aus denen die Migrant_innen kommen, ist desaströs und daran sind Deutschland und Europa mitschuldig. Die Waffenexporte, die Unterstützung von Diktatoren, die Ausbeutung von Mensch und Natur durch europäische Konzerne sind Gründe für die Lage in diesen Ländern.

Und heute ein Jahr nach dem Sommer der Migration ist von der Willkommenskultur der Regierung nicht mehr viel übrig geblieben. Die deutsche Regierung kooperiert weiterhin mit autoritären Herrschern, um sich abzuschotten gegen die Folgen des eigenen Handelns. Europa ist heute durchzogen von Stacheldrahtzäunen und Mauern. Marokko, Tunesien und Algerien sollen sichere Herkunftsländer werden. In diesen Ländern gibt es keine demokratischen Rechte, wer Kritik an den Herrschern äußert, wird eingesperrt und gefoltert. In diesen Ländern müssen Menschen bis zu 90 Stunden in der Woche arbeiten, um überhaupt überleben zu können. Was bitte ist daran sicher?

Die türkische Regierung bekommt Milliarden, um die Menschen auf der Flucht davon abzuhalten nach Europa zu kommen, führt aber selbst einen blutigen Krieg vor allem gegen die kurdische Bevölkerung. Wieso sollte man solche Herrscher finanziell unterstützen? In Deutschland gibt es viele Maßnahmen die verhindern, dass Geflüchteten eine normale Teilhabe an der gesellschaftlichen Gestaltung haben und ein würdiges Leben führen können. Über eine davon möchte ich jetzt sprechen. Sie ist für Menschen, die in Deutschland geboren sind und Menschen, die später hier her gekommen sind gleichermaßen von Bedeutung. Ich möchte über 1-Euro-Jobs reden. Viele Geflüchtete haben einen 1-Euro-Job bekommen. Viele Menschen die lange Zeit Erwerbslosenhilfe bekommen haben, müssen 1-Euro-Jobs machen. Sie werden als billige Arbeitskräfte für oftmals sinnlose Arbeit ausgebeutet. 1-Euro-Jobs können niemandem zugemutet werden, sie bedeuten eine Zuspitzung der Ausbeutung der Arbeitenden im neoliberalen Kapitalismus. Sie sind eine Form der Zwangsarbeit, denn wer sie mit gutem Recht nicht annimmt, wird bestraft und erhält Kürzungen, die die Armut noch verschärfen. In diesen Jobs gibt es keine Ausbildung für die Menschen, nur einen lächerlichen Pseudolohn und Monotonie. Das ist eine Neuauflage des Kolonialismus und eine Fortführung der Ausbeutung der Menschen der kapitalistischen Peripherie (von Aleppo bis Gorbitz).

Die symbolische Gewalt, die die patriarchale und weiße Herrschaft stützt und in Medien und dem Bildungssystem verbreitet und ausgeweitet wird, trägt zur Marginalisierung und Unterdrückung von Frauen*, POCs, Erwerbslosen usw. bei und reproduziert die kulturelle Herrschaft der Konkurrenz. Die Bedeutung des Wortes „Integration“, wie es heute auftritt, ist das beste Beispiel dafür: Du bist integriert, wenn du dich vermeintlichen „deutschen Werten“, was auch immer das sein soll, unterwirfst. Medien, Regierung und Rechte sagen, Geflüchtete seien alle kriminell und rechtfertigen damit harte Maßnahmen und tun so, als müsste man uns vom Essen mit Teller und Besteck bis zur Hygiene alles beibringen. Auch wenn wir eine Ausbildung haben, wird diese nicht als gleichwertig anerkannt, unsere Fähigkeiten herabgestuft und dann landen wir wieder im 1-Euro-Job. Das perfide an der symbolischen Gewalt ist, dass sie die Unterdrückten auseinandertreibt und wir gelernt haben, die Muster der Unterdrückung selbst zu reproduzieren: Erwerbslose werden gegen Geflüchtete aufgehetzt, Geflüchtete gegen Geflüchtete, Frauen* gegen Feminist*innen usw. und sofort. Wir müssen aufhören diese Spaltungen zu reproduzieren! Unser Credo muss daher lauten: Solidarität statt Konkurrenz und Ausbeutung! Zusammen können wir eine andere, gerechtere Welt schaffen!

Wir fordern:

– Menschenunwürdige 1-Euro-Jobs und Hartz IV abschaffen. Jeder Mensch soll gleich am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können. – Gleichstellung der Arbeit und Ausbildung der Migrant_innen, das Recht zu arbeiten und sich in Deutschland von Anfang an, frei zu bewegen Dazu brauchen wir aber ein neues gesellschaftliches und ökonomisches Projekt, dass die Freiheit aller Menschen schützt und ausbaut und Wohlstand für alle ermöglicht. Wir müssen alle Verhältnisse umwerfen, in denen Menschen unterdrückt, diskriminiert und gedemütigt werden. Dabei möchte ich daran erinnern: Es gibt keine Lösung der Flüchtlingsfrage in Europa, sondern nur eine weltweite. Die Flüchtlingsfrage ist letztlich eine globale Soziale Frage. Deshalb darf Solidarität nicht an den Grenzen aufhören oder erst beginnen, wenn Geflüchtete in Europa ankommen.

Wir fordern daher weiter:

– Stoppt die Unterstützung autoritärer Regime in der Türkei, in Syrien, Eritrea, Marokko, Tunesien und Algerien! – Unterstützt emanzipatorische Bewegungen in Nordafrika, Rojava, Syrien und überall auf der Welt!