Berichte zur internationalen Frauendelegation Rojava (Juni 2018)

by Frauen* vom IZ Dresden

“Eure »Ordnung« ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon »rasselnd wieder in die Höh’ richten« und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: »Ich war, ich bin, ich werde sein!«” – Rosa Luxemburg

Im Juni 2018 waren Frauen des Internationalistischen Zentrums Dresden Teil einer internationalen Frauendelegationsreise durch Rojava/ demokratische Förderation Nord-Syrien. Organisiert und eingeladen hat die autonome Frauenstruktur der Internationalistischen Kommune Rojavas (ICR). Ziel der Reise war es einen Überblick über die verschiedenen autonomen Frauenstrukturen in Nord Syrien zu bekommen und somit einen Einblick in die Revolution der Frauen*[1] in Rojava zu erhalten.

Wichtig für uns ist zu betonen, dass wir in den paar Wochen nur eine grobe Ahnung von dem bekommen haben, was in Rojava passiert. Es ist unmöglich in solch einer kurzen Zeit, die Komplexität der Revolution zu begreifen und alle Hintergründe zu verstehen. Wir werden in verschiedenen Berichten diese Reise nachzeichnen. Die Berichte haben weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch einer grundlegenden Erklärung der gesamten Strukturen und Prozesse in Rojava. Der Fokus liegt auf den autonomen Frauenstrukturen und den Kämpfen um Emanzipation und Frauenbefreiung. Wir versuchen die gelernten Sachen so unverfärbt wie möglich zu skizzieren. Uns geht es nicht um eine eurozentristische und oberflächliche Bewertung/ Kritik von außen, aber genauso wenig wollen wir ein exotisierendes und romantisierendes Bild vermitteln. Wichtig für uns ist zu sagen, dass wir den kämpfenden Menschen mit Respekt begegnen, ihre Revolution bekannter machen und von ihnen lernen möchten. Andererseits bedeutet das nicht, dass wir alle Sachen unhinterfragt kopieren oder es für einen westeuropäischen Kontext übernehmen. Dafür werden wir an bestimmten Punkten Fragen aufwerfen und Parallelen oder Überschneidungspunkte zu einer westlichen/ deutschen feministischen Bewegung suchen. Dies soll Ansporn sein, Kritik zu üben, zu diskutieren und global und lokal zu denken um daraus neue Ideen und Inspiration zu gewinnen. Diese Exkurse verstehen wir gleichzeitig als Beitrag zur strategischen „Neuausrichtung“ der deutschen Linken, die wir spätestens seit dem „Selber Machen“ Kongress in Berlin 2017 versuchen aktiv mitzugestalten. Das Prinzip unserer Berichte besteht also darin zum einen das Gesehene in Rojava wiederzugeben, daraus Parallelen und Ansatzpunkte zu einer deutschen/ westlichen feministischen Bewegung zu ziehen und auf Grundlage dessen partielle Überlegungen zu einer möglichen Gestaltung herrschaftskritischer-feministischer Politik heute anzustellen.

Wir sollten Rojava als Revolution verstehen, als einen Prozess des Aufbruchs und Umschwungs, der aktiven Kampf voraussetzt und in dem es natürlich Widersprüche gibt. Dass in Rojava revolutioniert wird, bedeutet nicht, dass die befreite Gesellschaft fertig ist und ab jetzt alle in Frieden und Selbstbestimmung leben können. Wenn wir dies verstehen, haben wir die Möglichkeit aus Entwicklungen und Kämpfen zu lernen und unsere westeuropäische (linksradikale) Sozialisation des Nörgelns und Totredens zu überwinden um gemeinsam zu kämpfen. Wir werden durch diese Berichte und Diskussionsanregungen einen Teil dazu beitragen. Rojava kann für uns alle Hoffnung, Motivation und Beispiel sein, dass radikale Veränderung möglich ist. Dies zeigt sich vor allem in den kämpfenden Frauen*, die gemeinsam die Fesseln der Gesellschaft aufbrechen und das Patriarchat auf allen Ebenen bekämpfen, für alle Frauen* dieser Welt, für ein sozial-ökologisches und radikal-demokratisches Zusammenleben und für die Freiheit aller Menschen. Ihnen gilt unser voller Respekt und von ihnen möchten wir erzählen.

JIN JIYAN AZADÎ


1 *mit dem Sternchen hinter dem Wort „Frauen“ möchten wir die Vielschichtigkeit von geschlechtlichen Identitäten betonen. Wir benutzen trotz des Vorhandenseins anderer Bezeichnungen wie FLIT*(Frauen*Lesben*Trans*Inter) die Bezeichnung „Frauen“, weil in der Befreiungsbewegung, von der wir berichten, eine binäre Vorstellung von Geschlechtern (Mann – Frau) vorherrschend ist. Die Identität „Frau“ wird als Bezugspunkt gesehen. Wir verwenden trotzdessen das Sternchen, um auf der einen Seite unser eigenes Verständnis einer nicht-binären Geschlechteraufteilung kenntlich zu machen, aber auch um auf der anderen Seite zu zeigen, dass es in Rojava mehr als nur Frauen im Sinne eines binären Systems gibt und eine Vielfalt von geschlechtlichen und sexuellen Identitäten existiert. Desweiteren werden wir in unseren Überlegungen zur deutschen feministischen Bewegung manchmal das Wort „Frauen“ benutzen, wenn es sich zu dieser Zeit um eine Eigenbezeichnung gehandelt hat. Wir versuchen an allen anderen Stellen die Bezeichnung FLIT* zu verwenden. Durch allgemeine Verwirrung kann es aber durchaus manchmal dazu kommen, dass wir Fehler machen.



Einleitung und Literaturempfehlungen:

Zu Beginn möchten wir kurz die Situation der Frauen* in der Förderation Nord – Syrien beschreiben. Wir geben dabei nur einen groben Überblick, damit die Berichte über die verschiedenen Strukturen, die wir während unserer Delegation besucht haben, verständlicher sind. Wir empfehlen aber eine weitergehende Beschäftigung mit dem Thema, genauso mit der generellen Struktur und Geschichte der PKK und PKK-nahen kurdischen Bewegung. Ohne Kenntnisse über die Ideologie dieser Bewegung, das Projekt des Demokratischen Konförderalismus, den Umständen des Krieges und der Verfolgung, den Kampf gegen Daesh (IS) und grundlegendes über die Gesellschaften des Mittleren Ostens, ist es unmöglich die Revolution in Rojava zu verstehen. Deshalb legen wir euch folgende Literatur ans Herz:

Tatort Kurdistan: Revolution in Rojava (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/VSA_Flach_ua_Revolution_in_Rojava.pdf)
Ismail Küpeli: Kampf um Kobane
Abdullah Öcalan: Jenseits von Staat, Macht und Gewalt

Desweiteren bieten folgende Quellen einen tiefgreifenderen Einblick in die Revolution der Frauen* in Kurdistan (nicht nur in Rojava), in denen vor allem auch die kämpfenden Frauen* selbst zu Wort kommen:

Ceni-Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.: Widerstand und Gelebte Utopien
Anja Flach: Frauen in der kurdischen Guerilla
Meredith Tax: Auf einem Unwägbaren Weg
Dilar Dirik: Die Frauenrevolution in Rojava. In: Kampf um Kobanê – Kampf um die Zukunft des Nahen Ostens (Hrsg. Ismail Küpeli/ 2015)
Abdullah Öcalan: Befreiung des Lebens: Die Revolution der Frau
http://internationalistcommune.com/die-revolution-ist-weiblich/

Außerdem empfehlen wir euch mehrere Blicke auf die Homepage unserer Freund*innen und Genoss*innen der Internationalistischen Kommune, dort wird es auch in Zukunft weitere Berichte aus anderen Perspektiven und in verschiedenen Sprachen zur Frauendelegation geben:

http://interntaionalistcommune.com
Twitter: @Communelnt

Desweiteren findet ihr natürlich auf der Homepage des Internationalistischen Zentrum Dresdens weitere Berichte und Informationen rund um das Thema Kurdistan und dem Projekt des demokratischen Konförderalismus. Zum Beispiel über die Delegationsreise durch Basur (Südkurdistan/ Nordirak) im Januar/ Februar 2017. Wir organisieren kontinuierlich Veranstaltungen zu dem Thema, die ihr auf unserer Homepage finden könnt. Alle Informationen darüber und wie ihr mitmachen könnt, findet ihr ebenfalls auf:

https://iz-dresden.org
Twitter @IzDresden

Natürlich freuen wir uns auch immer über konstruktive Kritik und Anregungen. Wir möchten euch keine starren Ergebnisse präsentieren und sind auch immer für Diskussionen bereit. Außerdem wenn ihr Fragen habt oder euch gerne irgendwie bei uns einbringen wollt, dann schreibt uns einfach unter:

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Und wie immer: Unabhängige politische Arbeit kostet Geld! Wir nehmen keinerlei Gelder von Parteien und ihren Stiftungen an und freuen uns also immer über materielle Unterstützung! Wenn ihr die Reisekosten, die Miete für unser Zentrum oder die Projekte, die wir sonst alle noch so machen, mit übernehmen wollt, dann überweist uns gerne eine Spende auf folgendes Konto:

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