Überwachungsstaat Sachsen

Folgende Einladung zu einem Treffen haben wir per Mail von Critique and Act Dresden erhalten und laden euch auf diesem Wege mit ein.

– zur Änderung des neuen Polizeigesetzes –

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Wir laden euch am 09.03. 18 Uhr in den Konferenzraum des Coloradio (Riesaerstraße 32) in Dresden ein. Bitte leitet diese Mail weiter. Es handelt sich um ein offenes Treffen. Jede*r soll sich einbringen und beteiligen können.
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Am 27. Februar sollte der Gesetzentwurf für das neue Polizeigesetze dem Kabinett vorgelegt werden. Dies ist aus unbekannten Gründen nicht passiert. Laut Berichten der Sächsischen Zeitung [1] ist das Gesetzt nach dem Willen von CDU und SPD jedoch so gut wie beschlossen. So geht es bei den Entwürfen nur noch um Detailfragen. Wie immer ist der Deckmantel zum Abbau unserer Grundrechte die um sich greifende Terrorhysterie, Kriminalitätsbekämpfung und die Wahrung der “größtmöglichen Sicherheit der Bürger” (laute SZ-Bericht: ein Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion). SPD und CDU wollen die Befugnisse der sächsischen Polizei maßgeblich erweitern. Das heißt: Erweiterung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum, Bodycams (Körperkameras) für Polizist*innen, Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, mobile und feste KfZ-Kennzeichen-Scanner, Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung, Einsatz des Staatstrojaners, elektronische Fußfesseln, Kontaktverbote für bestimmte Personengruppen usw. Ob es wie in Bayern eine Form des Unterbindungsgewahrsams für sog. Störer (§ 17 Abs. 2 c PAG) [2] geben wird, ist uns bisher nicht bekannt.

Kritik an den Änderungen des Polizeigesetzes wird bisher vor allem aus datenschutzrechtlicher Sicht, mit Blick auf die Überwachung von Unbeteiligten, geäußert. Das geplante Polizeigesetz reiht sich ein in die Tradition repressvier Gesetzesändeurungen in Sachsen und stellt ein Angriff auf die Grundrechte (z.B. der informationellen Selbstbestimmung) dar. Jenseits der datenschutzrechtlichen Bedenken ist bereits jetzt zu erahnen, dass es präventive Repressionen ermöglichen soll. Damit ist es ein politisch motiviertes Gesetz welches auch potentielle Teilnehmer*innen an Demonstrationen und Protestveranstaltungen abschrecken soll. Wie leicht man in den Fokus der Behörden gerät, dürfte vielen Dresdner Anti-PEGIDA-Aktivist*innen bekannt sein. Dieses Gesetz dürfen wir aus vielen Gründen nicht durchgehen lassen. Wir sehen die Verschärfungen des sächsischen Polizeigesetzes auch im Rahmen eines generellen Rechtsrucks in Europa und weltweit. Hier findet der Ruf nach dem starken Nationalstaat auf Länderebene Widerhall. Soch ganz egal aus welchen Gründen wir dieses Gesetz kritisieren: Es geht uns alle an und wir sollen zusammen Protest organisieren!

Wir laden euch deswegen am 09.03. 18 Uhr in den Konferenzraum des Coloradio (Riesaerstraße 32) in Dresden ein. Wir wollen mit euch diskutieren was wir unternehmen können und welche Möglichkeiten des Protests und der Öffentlichkeitsarbeit wir haben. Uns ist es wichtig die Diskussion auf eine möglichst breite Basis zu stellen, um wahrnehmbar und relevant zu werden.

Solltet ihr am 09.03. nicht können, aber trotzdem Interesse an einer Zusammenarbeit haben, meldet euch gern per Mail bei uns.

Ansonsten hoffen wir auf rege Beteiligung.

Solidarische Grüße
Critique and Act
Eine Föderation linker Gruppen aus Dresden
http://critiquenact.blogsport.eu/

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[1] Sachsen bekommt neues Polizeigesetz
CDU und SPD haben sich auf eine Ausweitung der Befugnisse der Beamten geeinigt – verhandelt werden nur noch Details.

Von Gunnar Saft

Schon jetzt tragen sächsische Polizisten in einigen Städten testweise Bodycams. Die Körperkameras sollen die Beamten vor aggressiven Personen schützen. Kritiker sehen unter anderem datenschutzrechtliche Bedenken.

© Ronald Bonß

Die schwarz-rote Regierungskoalition in Sachsen ist bei einem der wichtigsten und auch umstrittensten Projekte dieser Legislaturperiode einen entscheidenden Schritt vorangekommen. So einigten sich CDU und SPD darauf, die Befugnisse der sächsischen Polizeibeamten künftig in vielen Bereichen deutlich zu erweitern. Gleichzeitig soll es eine gesetzliche Neuregelung geben, mit der Schadensersatzansprüche von im Dienst verletzten Polizisten künftig abgesichert sind.

Mit diesem Durchbruch bei den internen Verhandlungen ist der Weg dafür frei, dass der Landtag noch vor der Sommerpause das seit Langem geplante neue Polizeigesetz beschließen kann. Absehbar wird Innenminister Roland Wöller (CDU) dem Kabinett bereits am 27. Februar einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Verabschiedung vorlegen. Danach sind eine mehrwöchige parlamentarische Beratung sowie eine öffentliche Anhörung geplant. In diesem Zeitraum wollen die Fraktionen von CDU und SPD dann auch einige wenige noch strittige Details endgültig klären.

Eine grundsätzliche Einigung gibt es inzwischen allerdings darüber, dass die Möglichkeiten zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum erweitert werden. So soll diese künftig nicht nur an ausgewählten Kriminalitätsschwerpunkten zum Einsatz kommen dürfen, sondern auch auf Wegen, die zu diesen Bereichen hin- sowie wegführen. Außerdem soll die Videoüberwachung auf Routen zur Anwendung kommen, auf denen erfahrungsgemäß Diebesgut von Deutschland nach Osteuropa verbracht wird. Als noch offener Punkt gilt dabei allerdings der Einsatz einer Gesichtserkennungsoftware, mit der automatisch nach zur Fahndung ausgeschriebenen Straftätern gesucht werden kann. Ein ähnliches System nutzt Sachsen bereits bei der Suche nach Fahrzeugen mit bestimmten Kfz-Kennzeichen. Nach dem bisher ausschließlichen Einsatz von mobilen Kennzeichen-Scannern ist dabei nun auch der Aufbau stationärer Anlagen im Gespräch.

Videoüberwachung und Fußfesseln

Erweitert werden sollen zudem die Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung, um so effektiver gegen politisch oder religiös motivierte Kriminalität sowie gegen Terrorismus vorgehen zu können. Künftig soll die Polizei dabei unter Richtervorbehalt auch auf Inhalte – und nicht nur auf allgemeine Verbindungsdaten – zurückgreifen, die ihnen von den entsprechenden Kommunikationsanbietern zur Verfügung gestellt werden müssen. Den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern, bei denen die Beamten selbst den Inhalt von Kommunikationsverbindungen direkt abrufen können, wird von der SPD weiter strikt abgelehnt. Die CDU dagegen sieht auch darin eine wichtige Maßnahme, besonders bei der Terrorabwehr.

Einig ist sich die Koalition dann wieder über die Einführung von verschärften Meldeauflagen für gewaltbereite Straftäter. Mit deren Hilfe soll verhindert werden, dass Personen mit erkanntem Gewaltpotenzial künftig zu Ereignissen wie dem G-20-Gipfel in Hamburg oder zu risikoreichen Fußballspielen anreisen können. Ausgemachte terroristische Gefährder sollen künftig zudem mit Aufenthalts- und Kontaktverboten belegt werden dürfen. Zudem sollen für eine bessere Überwachung dieser Personengruppe auch elektronische Fußfesseln zum Einsatz kommen, obwohl der praktische Wert koalitionsintern umstritten ist. Kritiker verweisen darauf, dass so lediglich der Aufenthaltsort fesgestellt, aber keine Anschläge verhindert werden können.

Klären müssen CDU und SPD noch die endgültigen Regeln für den künftigen Einsatz von Bodycams im sächsischen Polizeidienst. Die Körperkameras, die einem besseren Schutz der Beamten vor aggressiven Personen dienen sollen, werden zurzeit in einigen Städten des Freistaates getestet. Hier geht es vor allem um Fragen des Datenschutzes, weil dabei meist auch Aufnahmen von Unbeteiligten entstehen. Außerdem muss die Koalition festlegen, ob generell auch Polizisten durch eine besondere Kennung an den Uniformen eindeutig identifizierbar sind.

Zweifel, dass man sich in den Details noch einigt, gibt es aber nicht. Auf der SPD-Seite, wo es lange Bedenken gegen einzelne neue Maßnahmen gab, ist man mit den erreichten Kompromissen zufrieden. „Die wichtigste Aufgabe des Staates ist, für die größtmögliche Sicherheit seiner Bürger zu sorgen“, sagt der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Pallas. Das erreiche man nicht nur mit der Aufklärung, sondern vor allem mit der Verhinderung von Straftaten. „Und wenn sich die Welt technisch weiterentwickelt, dann müssen das auch die Instrumente der Polizei.“

Pallas verweist darauf, dass neben dem geplanten neuen Polizeigesetz eine andere wichtige Neuregelung bereits im parlamentarischen Verfahren ist. So soll ein neues Gesetz dafür sorgen, dass der Freistaat künftig die Schadensersatzansprüche von im Dienst verletzten oder anderweitig geschädigten Polizisten erst einmal selber auszahlt, wenn die jeweiligen Täter dazu nicht in der Lage sind. Später muss dann der Staat und nicht mehr der einzelne Beamte versuchen, das ausstehende Geld doch noch einzutreiben. Damit wolle man den Betroffenen in ihrem oft schwierigen Dienst noch besser entgegenkommen.

[2] http://www.polizeirecht.de/polizeiaufgabengesetz-Bayern.htm#Gewahrsam